Donnerstag, 12. Dezember 2013

Über den Tellerrand gen Osten geschaut - oder: 20 Jahre Sibirien

52 Stunden mit der Bahn, oder 5 Stunden und 20 Minuten Flug - das ist die Entfernung zwischen Saratow und Novosirbirsk. Dort lebt seit 20 Jahren eine Ordensschwester aus Halle/Saale, aus deren Weihnachtsbrief ich hier einen Teil wiedergeben möchte. Schwester Alexandra blickt zurück und beschreibt Freuden, die Sie erfuhr und Nöte, denen Sie begegnete.
 
Novosibirsk, im Advent 2013
 Liebe Schwestern, liebe Wohltäter, liebe Freunde und Bekannte, liebe Mitglieder der Apostolatsgemeinschaft, liebe Verwandte!
Das Jahr 2013 geht zu Ende und dies ist wieder ein guter Anlass, Ihnen rückblickend einige Informationen über unsere Arbeit in Russland zu geben.  

An erster Stelle möchte ich Gott für seine Fügung und Führung danken und unserer Generalleitung für jede Hilfe und Ermutigung, die wir in den vergangenen 20 Jahren immer wieder erhalten haben.
In diesem Jahr schauen wir Schwestern in Russland auf unsere 20 jährige Tätigkeit zurück. Als Schwester Adela und ich (Schw. Alexandra) vor 20 Jahren in Novosibirsk landeten, feierte die Stadt Novosibirsk gerade ihr hundertjähriges Bestehen. Es war eine junge Millionenstadt, die besonders durch die Transsibirische Eisenbahn bekannt geworden ist. Diese führt von Moskau über Novosibirsk bis Wladiwostok (9172 km). Auch verbinden viele Menschen mit „Sibirien“ das Land, in welchem unbeschreibliche Grausamkeit herrschte, und es gab die Zeit, wo es auch so war. Das Regime in Sibirien plante, den Glauben aus den Herzen der Menschen auszulöschen und führte dies in aller Härte durch. 70 Jahre Kommunismus und die extreme Glaubensverfolgung haben ihre Spuren hinterlassen. Erst seit 1990 erlebten die Menschen Erleichterungen und positive Veränderungen. Sie hatten  wieder die Möglichkeit, sich frei zum Glauben zu bekennen und sich ohne Angst zum gemeinsamen Gebet zu versammeln.
In dieser Situation begannen wir Elisabethschwestern mit unseren Dienst der Nächstenliebe in Novosibirsk. Die ersten Jahre unserer Tätigkeit waren überwiegend davon geprägt, sich umschauen und zu suchen, wo wir gebraucht werden. Wir machten uns auf den Weg zu den Menschen, welche unsere Hilfe benötigten und wo wir unseren Elisabethdienst ausüben konnten. Aus diesen anfänglichen Suchen und Tasten hat sich inzwischen ein gut organisierter Dienst entwickelt, und Einrichtungen sind entstanden. Es war ein langer Weg, auf dem es viele Hindernisse gab, aber auch viele wunderbare Fügungen, welche uns Mut machten zum Durchhalten.
Wie Ihnen aus früheren Berichten bekannt ist, sind wir Elisabethschwestern in den Städten Novosibirsk, Kursk und Tula tätig. In den Pfarreien erteilen wir Katechese, bieten Bibelgespräche an und leiten Seniorengruppen. Die religiöse Feriengestaltung für die Kinder erfreut sich großer Beliebtheit. Es ist nicht selbstverständlich, dass alle Kinder die Möglichkeit zu Ferien haben. Seit etwa drei Jahren kommen zunehmend Ausländerkinder in unsere Kinderclubs. Ihre Familien befinden sich in schwierigen Situationen und nehmen unsere Angebote und Hilfen gern an.
Unsere caritative Tätigkeit ist umfangreich: Alten-und Krankenbesuche zuhause oder im Heim, Arbeit mit Seniorengruppen.  Wir sind offen für die Not aller Menschen, die unsere Hilfe brauchen.
Das Kinderheim St. „Nikolaus“,  ist vielen von Ihnen bekannt; es wurde vor 17 Jahren eingeweiht. Jedes Jahr erhalten Sie ausführliche Informationen über den aktuellen Stand der Dinge, über unsere Freuden und Sorgen mit den Kindern und Jugendlichen im Heim. Für uns ist es besorgniserregend, dass wir seit einigen Jahren immer wieder Kinder aufnehmen müssen, welche bereits in einer Pflegefamilie waren. Die Kinder werden aus verschiedensten Gründen nun ein zweites Mal verstoßen oder abgelehnt, was sich sehr negativ auf die weitere Entwicklung der Kinder auswirkt. Diese Kinder brauchen eine besonders intensive und individuelle Betreuung, was für die Pädagogen und Betreuerinnen sehr schwer und belastend ist.
Heute möchte ich noch eine Information zur neuen Heimleitung des Kinderheimes „St. Nikolaus“ geben. Schwester Barbara Rybus war 17 Jahre Heimleiterin, sie hat die Anfänge und den Aufbau des Heimes, welche mit vielen Problemen verbunden waren, wesentlich geprägt. Im letzten Juni lief ihre Amtszeit ab, und sie ist nach Polen zurückgekehrt. An ihrer Stelle sind zwei neue Schwestern aus Polen gekommen, welche die Heimleitung übernehmen werden. Derzeit werden alle Dokumente beantragt, die erforderlich sind, um eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. In der Zwischenzeit machen sich die beiden Schwestern mit der Situation im Land, in der Stadt und im Kinderheim vertraut.
In der zweiten Niederlassung in Novosibirsk gab es zu unserer Freude eine personelle Verstärkung, diesmal aus dem Inland. Zwei junge Frauen aus Russland sind zu uns in die Kongregation gekommen. Elisabeth stammt aus Tula und Anastasia kommt aus Novosibirsk. Beide möchten unsere Kongregation und den Dienst der Schwestern näher kennenlernen. Sie leben mit uns zusammen, denn das gegenseitige Kennenlernen ist wichtig, um weitere Lebensentscheidungen treffen zu können.
Zum Ende meines Schreibens möchte ich nicht versäumen, Ihnen ein herzliches Gott vergelt‘s zu sagen, Ihnen allen, die uns in diesem Jahr wieder begleitet haben, sei es im Gebet, in verschiedenen Zeichen der Verbundenheit und durch finanzielle Unterstützung. Gott, der Geber alles Guten, möge Ihnen Ihre Güte reichlich lohnen. Mit einem Wunsch zum Weihnachtsfest und zum neuen Jahr, grüßt Sie im Namen der Elisabethschwestern aus Russland 

Schwester Alexandra Weiss
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Anm. (CP): Einen Weihnachtsgruß könnte man Sr. Alexandra schreiben an:  s.alexsandra(@)mail.ru